Ulrich Roski - Beethovens Scherben

Früher stand auf meinem Ofen
Eine Büste von Beethoven
Mit dem Munde modelliert aus feinstem Ton
Und Aug' in Aug' mit ihr
Saß ich zwölf Stunden am Klavier
Und strebte nach der letzten Perfektion
Die Läufe perlten mir wie Schuppen
Von den Fingerkuppen
Und ich kannte mich auch in Kadenzen glänzend aus
Doch dann brachte eine schicksalshafte Neujahrsnacht
Eine Schar von üblen Gästen in mein Haus

Die waren überall, wo's bloß etwas zu trinken gab
Sie rissen die Klinken ab
Und einer grölte im Suff:
„Roll over, Beethoven!"
Es klang wie ein Fluch,
Und der Ludwig ging zu Boden und zu Bruch

Auf seinen Scherben
Wollt' ich sterben
Meine Welt zerbrach mit ihm

''Oh Luggi, warum hat es Dich zerbröselt?
Der Wunsch, ein Auserwählter unter den Berufenen zu sein
Hat ewig wie eine Lohe in meinem Herzen gewabert
„Per aspera ad Asthma", sagten die Alten
Es ist nur ein Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen
Gemeinsam hätten wir ihn schaffen können, diesen Schritt
Du und ich
Oh Ludewig''

Man rief: „Prost Neujahr, Onkel Luggi!"
Dann ertönte schrill ein Boogie
Und der Ludwig hat bestimmt im Grab rotiert
Ich war völlig von den Socken
Bis ins Innerste erschrocken
Wie ein Mensch, der seinen ganzen Halt verliert
Der Vorfall war für mich symbolisch
Ich wurde melancholisch
Denn die Welt nahm mich abrupt nicht mehr für voll
Und böse Zungen rieten mir
Dass ich, statt klassischem Klavier
Von nun an lieber Murmeln spielen soll

Die Glut in meinem Herzen ist verglommen
Ich bin völlig verkommen
Seit mein Ludwig mich verließ
Doch manchmal erscheint er mir im Traum und tröstet mich
Mit dem Leitspruch der verkannten Genies:
„Solang wie diese Welt sich dreht
Ist es noch früh genug für jeden
Sich kräftig einzureden:
Vielleicht ist meine Zeit für mich nicht reif"
Good bless you, Louis, such is life