Ulrich Roski - Auf Der Alm

Hoch auf der Alm, inmitten seiner Herde
Sitzt Senner Sepp allein auf weiter Flur
Und denkt verträumt: „Wie schön ist diese Erde
Wie herrlich leuchtet mir hier die Natur."
Vom fernen Kirchturm hört man jetzt die Glocken
Mit wunderlieblichem Gedröhn
Der sanfte Föhn, der zaust dem Sepp die Locken
Er denkt: „Was gibt es föhneres als Föhn!"
Und wenn am Abend dann die Alpen glüh'n
Dann geht der Sepp zur Ruh' mit seinen Küh'n
Ein letzter Jodler schallt noch von der Höh':
„Holladiridiatidüdeljöh!"

Drunten im Dorfgasthof, da tagt verdrossen
Der Gemeinderat von früh bis spät
Und nach sechs Halben, wird vom Rat beschlossen:
„Uns fehlt es hier an Lebensqualität!
Wir haben Wälder und wir haben Auen
Doch der Touristenandrang ist noch karg
Man muss die Alm erschließen und bebauen
Mit einem Freizeit- und Erholungspark
Ein paar Hotels, die zieh'n wir hoch im Nu
Und ein Seniorenheim kommt auch dazu
Das ragt dann zwölf Etagen in die Höh'
Holladiridiatidüdeljöh!"

Hoch auf der Alm entsteh'n die ersten Mauern
Unten im Dorf eine GmbH
Die konstatiert als erstes mit Bedauern:
„Dro'm auf der Alm, da is koa Strom net da!"
Der Rat beschließt, die Luft auf diesen Almen
Die ist von Hause aus bedenklich dünn
Da könnt' es ruhig mal ein bisschen qualmen
Wir setzen rasch ein kleines Kraftwerk hin
Und alle Kühe jodeln insgemein:
„Siehst du den Schornstein dort im Dämmerschein
Er sendet schwarze Wölkchen in die Höh'
Holladiridiatidüdeljöh!"

Nun kann der Almtourismus voll erblühen
Doch erst beschließt das Planungskomitee:
„Der Senner Sepp muss weg mit seinen Kühen
Der kriegt 'nen Job stattdessen als Portier"
Bald kommen Reisende aus allen Breiten
Denn der Freizeitwert der Alm ist groß
Schwimmen, Kegeln, Tennis, Golf und Reiten
Und jeden Abend ist Folklore los
Und der Touristengruppe aus Shanghai
Der bringt der Senner Sepp das Jodeln bei
Aus hundert Kehlen schallt es von der Höh':
„Holladilidiatidüdeljöh!"

Man lobt den Almenpark in höchsten Tönen
Hier findet Jeder, was er nie gesucht
Nur einmal kam ein Trupp mit Dänen
Die hatten für die Cote d'Azur gebucht
Die war'n verstimmt und fingen gleich Rabatz an
Und trugen Transparente vor sich her
Darauf stand: „Nieder mit dem Watzman!
Wir fordern freie Sicht aufs Mittelmeer!"
Doch Senner Sepp bringt alle bald zur Ruh'
Er singt auf einer ausgestopften Kuh:
„Oh du Albtraum, lebe wohl, adieu
Holladiridiatidüdeljöh!"