Lieb Vaterland, du hast nach bösen Stunden
aus dunkler Tiefe einen neuen Weg gefunden.
Ich liebe dich, das heißt ich hab' dich gern,
wie einen würdevollen, etwas müden, alten Herrn.
Ich kann dich nicht aus heißem Herzen lieben,
Zuviel bist du noch schuldig uns geblieben.
Die Freiheit, die du allen gleich verhießen,
die dürfen Auserwählte nur genießen.
Lieb Vaterland, magst' ruhig sein,
die Großen zäunen Wald und Ufer ein.
Und Kinder spielen am Straßenrand,
lieb Vaterland!
Lieb Vaterland, wofür soll ich dir danken?
Für die Versicherungspaläste oder Banken?
Und für Kasernen, für die teure Wehr?
Wo tausend Schulen fehlen,
tausend Lehrer und noch mehr.
Konzerne dürfen maßlos sich entfalten,
im Dunkeln steh'n die Schwachen und die Alten.
Für Krankenhäuser fehlen Dir Millionen,
doch unsere Spielkasinos scheinen sich zu lohnen.
Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
die Großen zäunen ihren Wohlstand ein.
Die Armen warten mit leerer Hand,
lieb Vaterland!
Lieb Vaterland, wofür soll ich dich preisen?
Es kommt ein Tag, da zählt ein Mann zum alten Eisen.
Wenn er noch schaffen will, du stellst ihn kalt,
doch für die Aufsichtsräte sind auch Greise nicht zu alt.
Die alten Bärte rauschen wieder mächtig,
doch junge Bärte sind dir höchst verdächtig.
Das alte Gestern wird mit Macht beschworen,
das neue Morgen, deine Jugend geht verloren.
Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
doch schlafe nicht auf deinen Lorbeeren ein.
Die Jugend wartet auf deine Hand,
lieb Vaterland!
Lieb Vaterland, magst ruhig sein,
doch schlafe nicht auf deinen Lorbeeren ein.
Die Jugend wartet auf deine Hand,
lieb Vaterland!